„Das Beste aus beiden Welten“

Ein Interview von Katja Ratheiser mit Brigitte Lackner zur Übergabe des Arbeitsbereiches Digitale Bildung mit Juni 2022

Brigitte, du warst ja, wie ich jetzt, im Forum für die Elternbildung verantwortlich. Wie kam es, dass die Digitale Bildung auch dein Bereich wurde?

Da muss ich bei meiner persönlichen Lerngeschichte anfangen. Anfang 2015 habe ich im Familienministerium an einem Zukunftsworkshop für die Elternbildung in Österreich teilgenommen und dort fiel das Schlagwort „seamless media“ als Zukunftsszenario und es wurde dargestellt, dass Eltern Bildungsangebote dort brauchen, wo sie nach Informationen suchen, nämlich im Internet. Eine Dimension, die ich damals für fast utopisch hielt. Im gleichen Jahr im Mai hatte ich bei einer Weiterbildung erstmals Kontakt mit einem Experten für Videokonferenzen und ihrem Einsatz in der Bildungsarbeit und konnte dabei auch erstmals herumprobieren. In der gleichen Veranstaltung warst du ja auch dabei und ein paar Tage später haben wir uns getroffen, das Szenario eines Online-Elternbildungsworkshops entworfen und befunden: „Das können wir auch“. Im Oktober 2015 ging dann das erste Mal „elternweb2go“ live – ein Format, das bis 2021 in dieser Form bestanden hat und jetzt als Talkformat und Podcast von dir weiterentwickelt wird.

Ja, das war die Ausgangslage. Als dann 2018/19 klar wurde, dass wir an digitalen Bildungsangeboten in allen Bereichen nicht mehr vorbeikommen und dass Digitalisierung auch in unseren Mitgliedseinrichtungen immer mehr Thema wird, habe ich mich mehr und mehr grundlegend mit dieser Thematik auseinander gesetzt, habe dann an der Uni Wien entsprechende Seminare und Vorlesungen aus Medienpädagogik besucht, mich mit den österreichischen und deutschen Kolleg:innen im Bereich der digitalen Erwachsenenbildung vernetzt und deren Bildungsangebote besucht. Ja und so kam es, dass ich dann den neu geschaffenen Bereich „Digitale Bildung“ in der Bundesgeschäftsstelle übernommen habe. Zuerst parallel zur Elternbildung, ab 2021 dann alleine.

Also zusammenfassend glaube ich, dass es einfach meine Neugierde, meine Offenheit neuen Ideen gegenüber, meine Lernfreude und der Spaß am Entdecken von neuen Möglichkeiten waren, die mich (als Nicht Digital Native) angetrieben haben, in diese digitalen Lernwelten einzutauchen. Ja und irgendwie haben sie mich „gecatched“ und lassen mich nach wie vor fast täglich Neues entdecken, das ich wahnsinnig gerne mit dem Analogen verbinde.

Digitalisierung war also schon vor Corona ein Schlagwort. Wie digitalisiert war die Katholische Erwachsenenbildung zu Beginn deiner Arbeit im Bereich Digitale Bildung?

Als ich den Bereich „Digitale Bildung“ in der Bundesgeschäftsstelle übernahm, war gerade ein Projekt in Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium im Bereich der Senior:innenbildung im Abschluss, bei dem einige unserer Mitgliedseinrichtungen Handykurse für diese Zielgruppe angeboten hatten. Das heißt, das Thema „Digitalisierung“ sowohl als Thema von Bildungsangeboten für unsere Zielgruppen, als auch als Entwicklungsaufgabe für unsere eigenen Strukturen und Mitarbeiter:innen war schon auf dem Tisch. Was es noch nicht gab, war ein Plan – ein Konzept, wie im Forum die Herausforderungen der Digitalisierung angegangen werden sollten. Der hat sich erst Anfang 2020 mit der Gründung der AG Digitale Bildung zu entwickeln begonnen. In dieser Arbeitsgruppe wurden 3 Arbeitsschwerpunkte identifiziert, auf die das Augenmerk gelegt werden sollte:

  • Entwicklung von digitalen Angeboten für Teilnehmende
  • Schaffung von Weiterbildungsmöglichkeiten für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter:innen
  • Schaffung der notwendigen Infrastruktur

Bei der Umsetzung dieser Arbeitsschwerpunkte war es uns wichtig, jeweils die anwendungsbezogene Perspektive, die gesellschaftlich-kulturelle Perspektive und die technologische Perspektive einzunehmen.

Ja und dann kam Corona…

Hat Corona deine Arbeit erleichtert oder erschwert?

Gar nicht so leicht zu beantworten. Tatsache ist, dass die Pandemie in jedem Fall ein Katalysator für die Digitalisierung im Bildungsbereich war. Sie hat meine Arbeit insofern erleichtert, als die Sensibilisierung für die Thematik in den meisten Einrichtungen gestiegen ist. Schwieriger und eine Herausforderung war es im ersten Halbjahr 2020 die (teilweise sehr spezifischen – weil diözesan unterschiedlichen) Bedürfnisse zu erheben und dafür entsprechende Lösungen und Weiterbildungsangebote in relativ kurzer Zeit zu schaffen. Gleichzeitg war ich ja damals auch noch für den Bereich Elternbildung zuständig und dort haben vor allem die unterschiedlichen Verordnungen und plötzlich veränderten Rahmenbedingungen viel Kapazität beansprucht und auch die Schaffung völlig neuer digitaler Formate (wie zB Eltern-Kind- Gruppe online) sehr herausgefordert. Da ich aber auch jemand bin, die an solchen Herausforderungen gerne in einem Team Gleichgesinnter tüftelt, war es wiederum nicht wirklich eine Erschwernis meiner Arbeit sondern vielleicht eher eine Bereicherung. Also wirklich nicht ganz so einfach zu beantworten diese Frage…

Gibt es etwas, das du mit dem Wissen von heute anders in Angriff nehmen würdest?

Ich glaube, nicht wirklich viel – bis auf eine Sache vielleicht. Ich denke, es war gut, dass wir vor dem Beginn der Pandemie bereits erste Erfahrungen mit Webinaren hatten – auch wenn das damals erste, sehr unsichere Schritte Richtung digitale Bildungsangebote waren. Die Katholische Erwachsenenbildung konnte dadurch auf ein paar Erfahrungswerte zurückgreifen und hatte zumindest ein Modell, wie digitale Bildung ausschauen konnte. Was dann auf Grund der Pandemie innerhalb von wenigen Monaten in den meisten Einrichtungen des Forums gestartet werden musste, war meiner Meinung nach nicht anders zu unterstützen als durch Angebote zur Weiterbildung und zum Austausch.

Das einzige, worauf ich heute mehr Augenmerk legen würde, wäre öfter, intensiver, individueller und nachhaltiger den Mitarbeiter:innen in den Mitgliedseinrichtungen all die Ressourcen vorzustellen und anzubieten, die sich nach und nach entwickelt haben. Damit meine ich Angebote wie den EBmooc in all seinen Varianten als Quelle für Know How und als offene Lernressource. Die Plattform Digiprof des Bildungsministeriums mit ihren vielen Informations- und Bildungsangeboten zum Mitmachen, die digitalen Weiterbildungsangebote unserer Kolleg:innen in den deutschen kirchlichen Organisationen und vieles mehr. Ich habe leider gemerkt, dass ein Weiterleiten von Informationen per Direktnachrichten oder über unseren Blog nur zu einem geringen Teil bei den entsprechenden Zielgruppen ankommt.

Der direkte Kontakt und das gezielte Ansprechen der Bedarfe der Kolleg:innen in den Mitgliedseinrichtungen ist hier nach wie vor der effizientere Weg. Ich merke einfach, dass in persönlichen (Online-)Gesprächen, im direkten Erleben unterschiedlicher Online Lehr- Lernsettings Erfahrungen und neue Ideen viel besser aufgenommen und weitergedacht werden. Ein diekt für diesen Bedarf bestehendes Angebot empfehlen zu können, hat hier wesentlich mehr Wirkung. Das ist aber auch der Weg, der die meisten Zeitressourcen bindet… denn das bedeutet ja , dass man selbst all diese Angebote kennen muss.

Ja, den direkten Kontakt zu den Kolleg:innen, persönliche Gespräche (auch auf digitalem Weg) und das Aufmerksammachen auf good practice Beispiele – das würde ich auf jeden Fall verstärken.

Wann wird die „Digitalisierung“ in der Bildungsarbeit abgeschlossen und die „Digitalität“ erreicht sein?

NIE! Die Entwicklungen im technischen Bereich, in den didaktischen Möglichkeiten, im Umgang und in der Nutzung von digitalen Ressourcen und offenen Bildungsressourcen sind so rasant und werden wohl nie abgeschlossen sein.

Was es aber sehr wohl für die Katholische Erwachsenenbildung geben sollte, das sind Qualitätskriterien für digitale Bildungsangebote, die es zu entwickeln gilt, so dass digitale Bildungsstandards entstehen, die laufend überprüft und weiter entwickelt werden müssten.

Welche Botschaft möchtest du mir – und den Lesenden – für die digitale Zukunft der Digitalen Erwachsenenbildung mitgeben?

Also dir, als meine Nachfolgerin wünsche ich natürlich, dass du genau so viel Freude an dieser Aufgabe hast, wie ich sie hatte. Die Schnelllebigkeit, die in der Thematik liegt, die Gestaltungsmöglichkeiten und die intensive Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen sind die besten Voraussetzungen dafür, dass diese Aufgabe nie langweilig wird.

Ja und allen, die das hier lesen wünsche ich, dass die rasanten Fortschritte im Bereich des digitalen Lernens und Lehrens nicht als Hindernis, sondern als Inspiration für Neugierde und Entwicklung gesehen werden können. Denn wie wir wissen, braucht es Herausforderungen, um sich weiter zu entwickeln. Warum aber gerade die digitalen Herausforderungen oft so einen negativen Beigeschmack haben – dafür gibt es scheinbar viele unterschiedliche (manchmal auch sehr persönliche) Gründe.

Vielleicht spielt ja auch die Sorge, nicht alles sofort und in Perfektion umsetzen zu können eine Rolle? Deshalb wünsche ich uns auch Geduld mit uns selbst und eine Form der digitalen Fehlerfreundlichkeit. Im Bereich des digitalen Lernen und Lehrens werden wir als Erwachsenenbildner:innen auf Grund der schnellen Entwicklungen immer selbst Lernende bleiben und da Lernen ja auch damit zu tun hat, Fehler zu machen, wünsche ich uns allen, dass diese unser Motor zur lustvollen Weiterentwicklung werden können.

Außerdem wünsche ich mir für die Katholische Erwachsenenbildung, dass Digitales und Analoges gut nebeneinander existieren und voneinander profitieren kann. Es darf hier kein Entweder-Oder-Denken im Vordergrund stehen. Im Sinne unserer Zielgruppen müssen wir sowohl in der Entwicklung von Formaten und Inhalten, in der Didaktik, in der Methodik , als auch in der Themenwahl und Schwerpunktsetzung immer „das Beste aus beiden Welten“ anbieten.

2 Replies to “„Das Beste aus beiden Welten“”

  1. Liebe Brigitte! Als Mitarbeiterin in einer Mitgliedseinrichtung hatte ich nicht das Gefühl, von dir wenig der Ressourcen im Bereich des Online-Lernens vorgestellt oder angeboten zu bekommen. Es ist nur die Fülle und das Tempo, das mich manchmal zurückhaltend sein lässt.
    Danke, dass du dich so sehr vertieft hast, so „wahnsinnig“ fleißig warst und mir/uns die andere Welt eröffnet hast. Somit kann ich/können wir all dein Engagement fruchtbar werden lassen und in deinem Sinn „das Beste aus beiden Welten“ anbieten. Alles Gute für die vielen weiteren Entwicklungen in deinem Leben!

  2. Liebe Brigitte – vielen herzlichen Dank für deinen unernmüdlichen Einsatz und die vielen Stunden die wir gemeinsam gedacht, gesponnen und auch umgesetzt habe, kann mich noch gut an die „Anfänge“ erinnern.

    Liebe Katja – freue mich, dass du Aufgabe übernimmst – eine würdige Nachfolge für diesen Bereich . lg aus der Steiermark

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